Freitag, 6. Juni 2025

Nachlaß Helmut Thoma: Zeit für die Rückgabe des palmyrenischen Grabreliefs

Helmut Thoma, Women's World Awards 2009
Helmut Thoma
(Foto Manfred Werner - Tsui
[CC-BY-SA-3.0
via Wikimedia Commons])
Anfang Mai 2025 ist Helmut Thoma an seinem 86. Geburtstag in Wien verstorben. Die Medien haben ihm als einem unterm Strich wohl erfolgreichem Medienmanager einige Nachrufe gewidmet. Die Geschichte seiner Beteiligung an einer Raubgrabung in Palmyra und dem Schmuggel eines palmyrenischen Grabreliefs nach Deutschland wird nicht erwähnt. Dennoch ist das der Augenblick, daran zu erinnern, denn jetzt wäre der Zeitpunkt, zu dem seine Erben das Stück - sofern es nicht schon wieder längst auf den Markt gelangt ist - nach Syrien zurück geben sollten. In Syrien hat sich die Lage verändert und die Geste einer solchen Rückgabe würde eine positive Entwicklung dort auch unterstützen. 
 
Bereits 2010 forderte der Palmyra-Experte Prof. Andreas Schmidt-Colinet eine Rückgabe des Reliefs an den syrischen Staat als rechtmäßigem Eigentümer.. Nach dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs 2011 und der Verbrechen des Assad-Regimes war eine Rückgabe an diesen Staat aber nicht denkbar. Jetzt aber ist die Lage eine andere. Jetzt kann und muß das unrechtmäßig aus einem Grab entfernte und nach Deutschland geschmuggelte Relief zurück gegeben werden.


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Mittwoch, 4. Juni 2025

International Landscape Conference (LAC) 2026 in Bamberg!

Vom 18. bis 21. März 2026 findet in Bamberg die nächste LAC statt. 
 

Die LAC meetings präsentieren das breite Spektrum der Landschaftsarchäologie und finden unter der Schirmherrschaft der International Association for Landscape Archaeology (IALA) alle zwei Jahre statt. 14 Jahre nach dem Treffen in Berlin (2012) findet die LAC wieder in Deutschland statt.  Für Fachleute und Studierende aus verschiedenen Disziplinen ist sie eine (englischsprachige) Diskussionsplattform für neue Forschungen und Methoden zu vergangenen Landschaften. 
 
Schwerpunktthemen sind:
  • River and wetland landscapes
  • Vertical landscapes
  • Populations and demography
  • Economies and resources
  • Archaeological heritage and valorization of past landscapes
  • Non-invasive methods and techniques
  • Geospatial analysis
  • Big data 

Bis 11. Juli 2025 läuft erst einmal der Call for Sessions. Ende Juli bis Mitte Oktober folgt der Call for Papers.

Nähere Informationen unter:

Dort kann man sich ganz altmodisch zu einer Mailingliste anmelden,  man kann aber auch auf instagram lac_2026_bamberg folgen.

Freitag, 23. Mai 2025

Syriens neue Machthaber, der Tourismus und Kulturpolitik

Die neeuen Machthaber in Syrien haben Interesse an Tourismus und bringen damit eine gewisse Aufmerksamkeit für das kulturelle Erbe. Kulturschaffende genießen derzeit gewisse Freiheiten, die Problematik der Raubgräber- und der Antikenhehlerei ist aber ungelöst. - Ein Beitrag von swr Kultur;



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Donnerstag, 22. Mai 2025

Medienberichte zur Arche Noah: mangelnde Medienkompetenz und fehlendes Wissenschaftsverständnis

Mit zu den Klassikern der Pseudo- und Parawissenschaften gehört die Arche Noah.  Für Kreationisten gilt der Fund der Arche Noah als Beweis der Richtigkeit einer wörtlichen Auslegung der Bibel.
 
Auch derzeit wabern solche Berichte durch die internationalen Medien. Ausgangspunkt ist eine zunächst wohl in Social Media verbreitete Nachricht, ein amerikanisches Forschungsteam Noah'sArk Scans habe mittels Georadar die Arche Noah bestätigt. Der Platz ist indes nicht neu, es geht um eine Felsformation bei Durupınar in der östlichen Türkei, ca. 30 km südlich des Ararats. Nur kurz das fachlich eigentlich Selbstverständliche: Eine Identifikation als Arche Noah setzt eindeutige Befunde voraus. Davon ist hier weit und breit nichts zu sehen. Ein Schiff versteinert nicht, es verrottet, wenn es nicht am Meeresgrund oder in feuchtem Milieu liegt. Eine zufällige Schiffsform einer Felsformation in einer obendrein lehmreichen von Rutschungen geprägten Landschaft und irgendwelche rechtwinkligen Strukturen besagen hinsichtlich der Arche Noah gar nichts. Umgekehrt ist schon die Suche nach einem legendären Objekt, bei dem der ganze Überlieferungskontext einen Glaubenshintergrund hat und gar nicht erst irgendeinen Anspruch hat, eine historische Wahrheit im modernen Sinne zu vermitteln, kein wissenschaftlicher Ansatz.
 
Durupınar
(Foto: Zorka Sojka CC BY SA 4.0
via WikimediaCommons)

 
Anscheinend berichtete zunächst völlig unkritisch die britische Sun und zwar bereits am 19. Oktober 2024:
Inspiriert wurde der Artikel wohl von einem Video, das im Oktober 2024 auf YouTube und dem Blog anchorstone.com erschien und der ein Update der Forschungen seit 2022 präsentiert. Anchorstone ist verknüpft mit dem Bescherzentrum bei der vorgeblichen Arche-Fundstelle.
Am 9. April berichtete dann das norwegische Dagbladet:
Nachdem hier zunächst der Standpunkt von Noah's Ark Scans berichtet wird, steht am Ende immerhin noch eine Einschränkung "Einige Kritiker behaupten, dass bei Projekten wie „Noah’s Ark Scans“ pseudoarchäologische Methoden zum Einsatz kämen, bei denen Schlussfolgerungen gezogen würden, bevor ausreichend Beweise gesammelt worden seien."
 
Wenige Tage zuvor, am 28.3. hatte die britische DailyMail  bereits einen Titel zum Thema:
Der Fokus dieses Artikels liegt indes auf der Rolle der CIA, die über die "Fundstelle" tatsächlich eine Akte hatte, da sie um Luftbilder angefragt wurde. Die ersten Bilder der schiffsförmigen Felsfomration stammten tatsächlich von 1957 von der türkischen Luftwaffe, die hier die Ostgrenze der Nato gegen die UdSSR sicherte. Lange war das Militär die einzige Möglichkeit, Luftbilder zu erhalten und dementsprechend wurde die CIA verschiedentlich, auch von Kreationisten, um Bilder angefragt. Daily Mail erwähnt nur nebenbei das Projekt Noah's Ark mit dem angeblichen Nachweis einer Überschwemmungsschicht aus biblischen Zeiten und in einer Bildunterschrift steht zu lesen: "Geologists strongly contest the theory and argue that the Durupinar Formation can be explained by natural physical processes."
 
Es war indes der Bericht im Dagbladet, der in Deutschland zunächst von der BILD aufgegriffen wurde.
Die Bild verweist auf Sun und insbesondere das Dagbladet ohne jedoch dessen kritischen Hinweis aufzugreifen. Später greift der Fokus die Geschuchte auf und greift dazu auf die CIA-Story zurück.
Mitte April laufen die Berichte anscheinend aus, ehe am 14.5.2025 die griechische Newsbomb die Geschichte  auf, auf die sich zwei Tage später dann die Jerusalem Post beruft.
 
Die Bandbreite der Berichte reicht vom dumben Verbreiten des wissenschaftlich-methodischen Blödsinns über vorsichtige Distanzierung bis zur Hintergundrecherche, die den Bericht nutzt, um seriöse Forschung zu thematisieren.

Völlig unkritisch

vorsichtig distanzierend

Die Distanzierung findet bestenfalls am Ende statt, indem wie bei Dagbladet darauf hingewiesen wird, dass es Kritiker gäbe. In der Regel wird der Schwachsinn aber als eine gleichwertige Forschungsmeinung dargestellt. Wissenschaft verliert hier an Profil und lässt die Meinungen als völlig beliebig erscheinen.   


 Seriöser Wissenschaftsjournalismus

Der seriöse Journalismus braucht Zeit, die Beiträge - übrigens aus den Öffentlich-Rechtlichen - sind erst Wochen nach dem Hype erschienen.
 

Mangelnde Medienkompetenz und fehlendes Wissenschaftsverständnis

Bedenklich sind die völlig unkritischen, mehr noch aber vielleicht die vorsichtig distanzierenden Beiträge, da sie zur Erosion der Wissenschaft und damit auch der gesellschaftlichen Stabilität und Zukunftsfähigkeit beitragen.  Hier wird deutlich, dass es den betreffenden Journalist*innen an der Kenntnis oder Motivation fehlt, die betreffenden Meldungen als unwissenschaftlich zu erkennen und einzuordnen. In Bezug auf die Archäologie stellt sich allerdings auch die Frage, woher diese Kompetenz stammen soll, wenn schon in der archäologichen Vermittlungsarbeit die archäologischen Methoden immer wieder nur auf Ausgrabung und neuerdings auch Hightech-Methoden verkürzt werden (hier hat Noah's Ark ja auch bunte Bilder von Geophysik im Angebot)? 
 
Quellenkritik und Interpretationsmethoden der Archäologie müssen zwingend ein Teil der archäologischen Wissenschaftsvermittlung sein, um das Wissenschaftsverständnis in der Gesellschaft  zu fördern. Das ist gar nicht so einfach, wenn hier auch fachunntern ein Defizit besteht. Die Arche Noah-Berichterstattung zeigt auch, dass ein wissenschaftlich-kritischer Blick auch Teil moderner Medienkompetenz ist, denn dieser ist notwendig, um Pseudowissenschaft und tatsächliche FakeNews als solche zu erkennen.
 
Die Archäologischen Wissenschaften müssen hier dringend ihre Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und auch ihre Vermittlungsarbeit überdenken (siehe z.B. Diederich 2023).
 

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Sonntag, 4. Mai 2025

Vereinfachung des Wirtschaftslebens zu Lasten der archäologischen Stätten Frankreichs

In Frankreich bedroht eine Mittelkürzung und Entbürokratisierung die Archäologische Denkmalpflege.
Als 2001 die Archäologie in Frankreich mit dem Gesetz zur präventiven Archäologie ("LOI n° 2001-44 du 17 janvier 2001 relative à l'archéologie préventive") neu organisiert wurde, um die Konvention von La Velletta umzusetzen, wurden zwar funktionierende etablierte Strukturen zerschlagen, aber erstmals wurden in Frankreich staatliche Archäologiedienste und eine präventive Archäologie geschaffen, die möglichst viele bedrohte Fundstellen identifiziert und dokumentiert.. 2004 wurde auch das Denkmalschutzgesetz (Code du patrimoine) angepasst. Allerdings leidet die neue Struktur seitdem an einer permanenten Unterfinanzierung und an ihrer eigenen Komplexität im Zusammenspiel natioanler, regionalre und kommerzieller Insitutionen. Ein Reformbedarf ist durchaus zu erkennen, nun aber soll mit einem neuen Gesetz einfach dafür gesorgt werden, dass weniger Fundstellen  ins Blickfeld der Archäologie geraten.

 

Komplexe Archäologie-Strukturen

Schutz und Erhaltung archäologischer Stätten liegen in der Zuständigkeit des Ministeriums für Kultur und Kommunikation (Ministère de la Culture et de la Communication - MCC), das diese Aufgaben jedoch an regionale Archäologie-Dienste (Services régionaux de l’Archéologie SRA) delegiert hat. Die SRA unterstehen den  Regionaldirektoren für kulturelle Angelegenheiten (DRAC) und den Präfekten der Region. Sie sind für die Umsetzung der Rechtsvorschriften zuständig und erteilen in Verbindung mit der Archäologischen Forschungskommissionen (CTRA) Grabungsgenehmigungen. Weiterhin überwachen sie die Durchführung archäologischer Maßnahmen, koordinieren die regionale archäologische Forschung, setzen die notwendigen Maßnahmen zum Schutz, zur Erhaltung und Förderung des archäologischen Erbes um und gewährleisten Vermittlung und Auswertung der Forschung.

Auf nationaler Ebene agiert jedoch das Institut national de recherches archéologiques préventives (INRAP), das als staatliches Institut vor allem administrativem Charakter hat (sog. "établissement public administratif - epa"). Nach dem Gesetz von 2001 übernimmt INRAP die prospektiven und präventiven archäologischen Ausgrabungen. INRAP löste die private Association pour les fouilles archéologiques nationales (AFAN) ab, die  in ein staatliches Institut überführt wurde.  INRAP soll die wissenschaftliche Verwertung ihrer Tätigkeiten und die Verbreitung ihrer Ergebnisse, insbesondere im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen mit öffentlichen Forschungs- oder Hochschuleinrichtungen unterstützen. Sie leistet einen Beitrag zur Lehre, kulturellen Verbreitung und Förderung der Archäologie. Zur Erfüllung dieses Auftrags beteiligt sich INRAP an den regionalen Archäologie-Diensten (SRA) und anderen öffentlicher Organisationen, nicht nur im In-, sondern auch im Ausland. In Forschungsprojekten arbeiten die Archäolog*innen des INRAP mit anderen Institutionen, wie etwa dem Centre national de la recherche scientifique (CNRS) zusammen.

Damit ist INRAP eine einzigartige staatliche Einrichtung, die zwei verschiedenen Ministerien unterstellt ist: dem Ministerium für Kultur und Kommunikation sowie dem Ministerium für Forschung und Hochschulen (Ministère de la Recherche et de l’Enseignement supérieur). 

Im Code du patrimoine sind die Aufgaben und Kompetenzen von INRAP in §L523 bestimmt:

  1. Personal der archäologischen Dienste der Gebietskörperschaften, der öffentlichen Forschungs- oder Hochschuleinrichtungen oder anderer französischer oder ausländischer juristischer Personen aufzunehmen; (Accueillir des personnels appartenant aux services archéologiques des collectivités territoriales, aux établissements publics de recherche ou d'enseignement supérieur ou à d'autres personnes morales françaises ou étrangères) ;
  2. Entgeltliche Dienstleistungen zu erbringen, die die Ergänzung ihrer Aufgaben darstellen (Assurer les prestations à titre onéreux qui sont le complément de ses missions)
  3.  die unmittelbaren Rechte, die sich aus den Ergebnissen seiner Tätigkeit ergeben, zu verwerten (Exploiter les droits directs et dérivés des résultats de ses activités)
  4. Teilnahme an Forschungsorganisationen (Participer à tout groupement ou s'associer à toute personne morale)

INRAP unterhält - hierin den meisten deutschen Ländern weit voraus - beispielsweise den Dienst Archipel, über den Tausende von Grabungsberichten erschlossen sind, wenn auch nicht alle online zugänglich sind.

Deutlich wird, dass INRAP einen doppelten Charakter hat: Einerseits Staatsinstitution mit administrativen Aufgaben, andererseits ein Forschungsinstitut, das andere Akteure unterstützen, zugleich aber die eigenen Rechte wahrnehmen soll. 

INRAP ist damit auch das bedeutendste archäologische Forschungsinstitut Frankreichs. Mit mehr als 2000 Wissenschaftlern und weiteren Mitarbeitern führt Inrap jedes Jahr etwa 1800 archäologische Prospektionen und etwa 230 Ausgrabungen durch (Koenig 2021, 29).  Anders als in Deutschland, wo die Genehmigungsverfahren meist nur nach nach Aktenlage geschehen und Sachstandsermittlungen mit Sondagen oder Geophysik eher die Ausnahme sind, sind die Prospektionen in Frankreich Teil des Genehmigungsverfahrens. Sie umfassen bis zu 10% der geplanten Baufläche.

INRAP wird von einem Vorstandsgremium verwaltet. Es setzt sich neben seinem Vorsitzenden aus Vertretern des Staates, qualifizierten Personen, Vertretern der öffentlichen Forschungs- und Hochschuleinrichtungen und Einrichtungen auf dem Gebiet der archäologischen Forschung, Vertretern der lokalen Behörden und öffentlichen und privaten Personen, die sich mit der präventiven Archäologie befassen, sowie gewählten Vertretern des Personals zusammen. Der Vorstand wird von einem Wissenschaftlichen Rat unterstützt, sein Vorsitzender durch ein Dekret des Staatspräsidenten eingesetzt.

INRAP gliedert sich  in acht überregionale Direktionen und verfügte 2015 über ca. 40 archäologische Stützpunkte, die in ganz Frankeich (und seine Überseedepartments) verteilt sind. Ihr Zeitspektrum reicht vom Paläolithikum bis in die Moderne. Das Institut ist in der Stadtarchäologie ebenso tätig wie im ländlichen Raum, in der Unterwasserarchäologie sowie in der Trassenarchäologie.

 

Jahrelange Ineffizienz und Unterfinanzierung

Das komplexe System war schon in den ersten Jahren wenig effektiv, obgleich es sehr viel mehr als in Deutschland gelungen ist, systematisch zu prospektieren und im Genehmigungsverfahren Sachstandsermittlungen durchzuführen. Schon in den ersten Evaluierungen wurde festgestellt, dass Frankreich  nicht über ausreichende personelle Ressourcen verfüge, um die Aufgaben zu bewältigen.

Wenn die Denkmalpflege in Frankreich dennoch eindrucksvolle Ergebnisse vorlegen kann (z.B. Garcia 2021), so liegt das v.a. daran, dass anders als in Deutschland Grabung und Auswertung als eine Einheit zusammen gedacht werden.

    Demonstration gegen die Arbeitsbedingungen  
in der französischen Präventivarchäologie
(Foto: François GOGLINS, verändert,
C BY SA 4.0 via WikimediaCommons)

Von Anfang an, war das System auch unterfinanziert. Das liegt aber vor allem daran, dass der Staat Einnahmen aus der präventiven Archäologie über die Jahre und verschiedene Regierungen hinweg der Archäologie entzogen und dem Staatshaushalt zugeführt hat.

Finanziert werden sollte das System der Archéologie préventive über die "Präventive Archäologiesteuer" (TAP) und eine Gebühr für die Präventivarchäologie (RAP). Damit ist prinzipiell ein Verursacherprinzip installiert, das anders als in Deutschland nicht nur für die Notgrabung, sondern auch für Auswertung und Vermittlung Geld haben sollte. Mit TAP und RAP wurdenr 2024 fast 191 Millionen € eingenommen - diese für die Archäologie vorgesehenen Einnahmen würden auch mehr als ausreichen, um die Denkmalpfleget zu finanzieren!

Tatsächlich hat der Staat aber etwa ein Viertel dieser Einnahmen in die allgemeine Staatskasse übernommen und so der Archäologie entzogen. Aktuell fehlen dennoch 48 Mio €.

Die Arbeitsbedingungen und Gehälter der französischen Koleg*innen scheinen schon lange deutlich unterdurchschnittlich und es ist auffallend, wie gering ihre Teilnahme an internationalen Tagungen geworden ist, da INRAP den Kolleg*innen weder Reisekosten noch Dienstzeit einräumen kann. Leider hat Frankreich nicht in den europäischen Arbeitsmarktanalysen von "Discovering the Archaeologists of Europe" teilgenommen, so dass ein einfacher Vergleich nicht möglich ist. Aufgrund der prekären Situation kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Demonstrationen und auch jetzt  im April 2025 wurde INRAP wegen der neuen Gesetzespläne bestreikt.

Dieses Jahr wird erwartet, dass ein Drittel der Maßnahmen nicht bearbeitet werden kann. Es stockt bereits bei den Voruntersuchungen/Prospektionen, die den eigentlichen Genehmigungsverfahren voraus gehen. Nur bei 6% der Bauanträge kann aktuell eine Voruntersuchung durchgeführt werden. 400 Kolleg*innen, die regelmäßig bei INRAP mit befristeten, Maßnahmen-bezogenen Verträgen beschäftigt sind, sind arbeitslos und diejenigen, die in den Ruhestand gehen, werden nicht ersetzt. Bei den SRA ist die Situation indes nicht viel besser.

 

Aktueller Gesetzesentwurf soll Archäologie aushebeln

Aktuell versuchen nun Interessensverbände, die Archäologie bei Großprojekten, wie dem Bau von Rechenzentren oder linearen Projekten unter dem Vorwand der „Entbürokratisierung“ oder „überragender nationaler Interessen“ zu übergehenn. In der Nationalversammlung liegt aktuell ein Gesetzesentwurf zur Vereinfachung des Wirtschaftslebens („Projet de loi de simplification de la vie économiques“). Art. 15, Abs. xii  sieht vor, dass abweichend von Artikel L. 522-1 des Code du Patrimoine Entwicklungs- und Baumaßnahmen und -maßnahmen den aktuell geltenden Verpflichtungen aus der präventiven Archäologie nicht mehr unterliegen sollen. In den Verhandlungen zur ersten Lesung wurden bereits einige Änderungen vorgenommen, aber der Passus zur Archäologie scheint unverändert.

Es sollen weniger Fundstellen erkannt werden, um weniger auszugraben und zu sparen. 


Petition

Archäolog*innen der archäologischen Dienste Frankreichs haben auf der Plattform change.org eine Petition gestartet, mit der sie sich gegen die Gesetzesinitiative wenden.


Die Petition erscheint mir wichtig, denn angesichts der Sparzwänge und Entbürokratisierungsbestrebungen dürfte die Idee, den Denkmalschutz zu begrenzen auch bei Politikern in anderen Staaten Anklang finden. Der Apell der Initiatoren "Das archäologische Erbe ist unser Erbe, lasst uns es gemeinsam schützen!" ist richtig und die Archäologie benötigt hier europäische Solidarität.

Die Initiator*innen sehen das archäologische Erbe Frankreichs in Gefahr. Die archäologische Community werde gezwungen, mit immer weniger Geld immer weniger zu tun! "Wenn all dies zum Tragen kommt, werden viele archäologische Stätten zerstört und wir alle werden eines immer größeren Teils unseres Erbes beraubt."

Seit Jahrzehnten warnen Archäologen ständig vor den irreparablen Schäden, die archäologischen Relikten durch Entwicklungsarbeiten zugefügt werden. Dieses gemeinsame Erbe der Menschheit, das unter unseren Füßen oder vor unseren Augen schläft, ist nicht erneuerbar. Es wurde 2001 nach starker Mobilisierung der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der Zivilgesellschaft endlich gesetzlich geschützt.

Mit dem Gesetz zur präventiven Archäologie wurde damals der Schutz des archäologischen Erbes als öffentliche Aufgabe etabliert., soll sein Schutz Mittels wissenschaftlicher Erforschung, Identifikation und Erhaltung soll ein Schutz der archäologischen Stätten gewährleistet werden, die tatsächlich oder potentiell durch öffentliche oder private Arbeiten gefährdet sind. Die gesetzliche Regelung ermöglichte die Organisation eines öffentlichen Archäologiedienstes, nämlich einerseits die Regionalen archäologischen Dienste (SRA) und das Nationales Institut für präventive archäologische Forschung (Inrap) andererseits. 

Mir scheinen die Forderungen der Petition leider etwas zu unkonkret, um in der Politik Wirkung entfalten zu können. Die Petition - deren Initiator*innen nicht namentlich auftreten und die auch nicht deutlich macht, ob sie sich an die Nationalversammlung, die zuständigen Ministerien oder allgemein die Regierung richtet - fordert:

  • Einhaltung des Gesetzes über präventive Archäologie und des Heritage Code, mit Verschreibungsrichtlinien, die den wissenschaftlichen, kulturhistorischen und kulturellen Herausforderungen gerecht werden!
  • die bedarfsgerechte Finanzierung öffentlicher Aufgaben!
  • Ein Ende der Angriffe auf die Grundsatz der Erhaltungslogik wegen Rentabilitätslogiken, die mit den grundlegenden Aufgaben der Denkmalpflege unvereinbar sind!
  • Die Definition einer starken öffentlichen und kulturellen Politik, die über wirtschaftliche Fragen hinausgeht, um ein solides und nachhaltiges gesellschaftliches Projekt zu gewährleisten, bei dem die Erhaltung des ökologischen und historischen Erbes nicht zur Deckung kurzfristiger Haushaltsanforderungen verkauft wird!

 

Ich halte die Forderungen grundsätzlich für richtig, auch die beiden letzten Punkte, mit denen Politiker aber wenig werden anfangen können. Natürlich muss genauso beim Natur- oder dem Verbraucherschutz nach der Staatlichen Verantwortung gefragt werden. Für die Archäologie wäre es bereits ein Erfolg, wenn

  1. die Präventivarchäologie  aus dem Gesetzesentwurf gestrichen würde und die gesetzlichen Regelungen in Kraft blieben und
  2. das Geld, das für die Archäologie gedacht ist, ihr auch zur Verfügung stünde.

 

Bitte, die Petition unterstützen, denn wir brauchen zum Schutz der archäologichen Quellen europäische Solidarität.

 

Literatur

  • Aitchison 2013: K. Aitchison, Discovering the Archaeologists of Europe. In: J. H. Jameson (Hrsg.), Training and practice for modern day archaeologists. Social sciences / archaeology (New York, NY 2013) 15–29. 
  • Garcia 2021: D. Garcia (Hrsg.), La fabrique de la France. 20 ans d'archéologie préventive (Paris 2021).
  • Koenig 2021: M.-P. Koenig, Das Institut national de recherches archéologiques préventives (Inrap) – ein wichtiger Akteur der archäologischen Forschung in Frankreich. Struktur, Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte. In: M. Koch (Hrsg.), Archäologie in der Großregion. Beiträge des internationalen Symposiums zur Archäologie in der Großregion in der Europäischen Akademie Otzenhausen vom 7. - 9. März 2014. Archäologentage Otzenhausen 1 (Nonnweiler 2015) S. 302-314.

Pressemeldungen

 

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